1. Tag Indien – „Can I take a picture“

Nach unserer langen Anreise, bezogen wir am Donnerstagmorgen unser Hotelzimmer. Sehr einfacher Standard. Die Zimmernummern sind mit Edding an die Wand geschrieben. Die Laken sind fleckig, auf dem Klo fehlt das Klopapier. Dafür hängt neben der Kloschüssel eine Dusche mit schmalen Duschkopf. Im Foyer des Hotels lagen mehrere Windhunde, welche nach Aussage unserer Zimmernachbarn, nachts die Ratten über den Hof jagen würden.

Nach einem kurzen Nickerchen wurden wir vom Vater der Braut abgeholt. Zusammen mit den Hochzeitsgästen, die schon eine Woche eher angereist waren und Nordindien besucht hatten, ging es zum Haus der Eltern in Baramati. Schon von weitem konnte man sehen, dass hier etwas Besonderes statt findet. Denn das Haus war unter anderem mit einem bunten Baldachin geschmückt.

Im Haus trafen wir die Familie, welche uns herzlich und liebevoll begrüßte und noch weitere Gäste und natürlich das Brautpaar. Die Braut hatte schon am Vortag ihre Hände mit Henna verziert bekommen,  und ich hatte noch die Gelegenheit das Bemalen der Füße zu fotografieren. Auch hier ging die Henna-Tattoomalerin sehr detailliert vor. Trotz der vielen feinen Linien dauerte die ganze Prozedur keine ganze Stunde.

Abends trennte sich dann unsere deutsch-indische Reisegruppe und die männlichen Gäste zogen zusammen mit dem Schwager der Braut los, um etwas zu Essen und Schuhe zu kaufen.

Während wir durch die Stadt zogen, wurden wir immer wieder von Einheimischen angesprochen, die neugierig wissen wollten, woher wir denn alle stammen würden. Einige fragten sogar freundlich „Can I take a picture?“ und machten Fotos mit uns. So viele Europäer auf einmal scheint es noch nicht nach Baramati verschlagen zu haben.

In der Innenstadt steuerten wir zunächst ein Schuhgeschäft an und ich tauchte zum ersten Mal hautnah in den indischen Alltag ein. Während wir vor dem Geschäft warteten, sauste der Verkehr an uns vorbei. Klappernde Busse und Mopeds, auf denen auch schon mal eine vierköpfige Familie Platz nahm. Während Papa steuerte, stand oder saß das jüngste Kind vor dem Vater, der Rest klammerte sich dahinter fest. Nachwie vor gilt: „Ich hupe, also bin ich“ und so sorgt das Hupkonzert für ein kontinuierliches Grundrauschen. In der Innenstadt stehen die Häuser dicht an dicht. Davor parken unzählige Mopeds. Straßenhändler bieten ihre Waren feil und zahlreiche Imbisse schaffen abwechslungsreiche Gerüche.

Nach dem sich ein Teil unserer Gruppe mit Schuhen für die Hochzeit versorgt hatte, führte uns Avdhoot, der jüngste Bruder der Braut, zu einem Straßenimbiss. Dort aß ich dann zum ersten Mal indisches Streetfood: Baal, eine kleine Schüssel, gefüllt mit einer Art Puffreis, Nüssen und Gewürzen. Schon nach ein paar Löffeln musste ich eine Pausen einlegen. „Not so spicy“ bedeutet für den deutschen Gaumen doch etwas anderes als für den Indischen.

Mit Hilfe einer süßen Soße war das Essen aber doch noch genießbar für mich. Danach ging es gleich weiter auf einen kleinen Platz an dem ein alter Mann „spiced Water“ anbot. In Gläsern mischte er zunächst eine Gewürzmischung aus Garam Masala, Salz und anderen Gewürzen. Anschließend holte er aus einem alten Holzkasten eine Glasflasche, welche er mit einem lauten Plopp öffnete. Die Flaschen hatten ebenfalls schon einige Jahre auf dem Buckel und wurden durch eine Marmorkugel unter Druck gehalten.

Die Fußwege durch die Stadt waren immer ein kleines Abenteuer. Es herrscht zwar grundsätzlich Linksverkehr, jedoch fährt ansonsten jeder wie er will. Im Dunkeln fahren viele mit Fernlicht, was als es Fußgänger schwierig macht abzuschätzen wie weit ein Auto entfernt ist.

Nach der Auffrischung bestiegen wir zwei Tuck-Tucks und fuhren zurück zur Unterkunft. Dort präsentieren die weiblichen Gäste stolz ihre bunten Saris, welche sie im Wohnzimmer des Elternhauses vor uns ausbreiteten.

So ging der erste Tag in Baramati zu Ende.

Paul Glaser

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