Jetzt sitze ich nun hier auf meinem Bett und versuche diese ersten Eindrücke zu verarbeiten. Indien hat sich mir genau so präsentiert, wie ich es erwartet habe: laut und wild. Aber der Reihe nach:
So ganz kann ich es eigentlich immer noch nicht fassen, ich bin in Indien. Um genauer zu sein, in Baramati, einer kleinen Stadt 280km südöstlich von Mumbai entfernt. Mehr als 6.000 Kilometer von zu Hause weg. In ein paar Tage werde ich hier die indische Hochzeit von Ashwini und Mario fotografieren. Damit wird für mich ein Traum wahr. Spätestens nachdem ich das erste Mal Bilder von Steve McCurry zu Gesicht bekam, war mir klar: Hier musst Du mal hin!
Meine Reise begann schon ein paar Tage eher, denn mein Flug ging von Berlin über Paris – und das sehr, sehr zeitig. Entlohnt wurde ich mit einem tollen Flug über Paris bei dem ich den Arc de Triomphe und den Eiffelturm zu Gesicht bekam.
Kurz vor Mitternacht Ortszeit, nach mehr als acht Stunden Flug, landete ich in einer anderen Welt, am Flughafen von Mumbai. Vor dem Flughafen hatte ich mich mit Daniel verabredet, der die Hochzeit als Videograph begleiten sollte. Nach der relativ unkomplizierten Pass- und Visakontrolle schob ich mich mit einer Masse an Einheimischen raus, vor den großen Flughafen.
Irgendwo hier musste unser Fahrer und Daniel auf mich warten. Vor dem Terminal steuerte ich auf Wand aus Menschen und Zetteln zu. Hunderte Fahrer standen hier mit ihren Schildern und warteten auf ihre Kunden oder Verwandten.
Unseren Fahrer und Daniel fand ich leicht in dem Getümmel. Leider war Daniels Gepäck wegen einer Überbuchung der Lufthansa abhanden gekommen. Wir warteten fast drei Stunden bei über 25 Grad mitten in der Nacht, bis es dann doch auf irgendeinem herrenlosen Gepäckwagen vor dem Terminal wieder auftauchte.
Danach ging es mit unserem Fahrer auf den Highway in Richtung Pune. Das in Indien Linksverkehr herrscht, hatte ich irgendwie verdrängt. Nach nur wenigen Kilometern war ich heilfroh, dass ich Daniel den Vordersitz überlassen hatte. Das Fahrverhalten der Inder könnte man mit: „Ich hupe, also bin ich“ perfekt wiedergeben. Gehupt wird nämlich ständig, meistens wenn man an irgendeinem langsameren Verkehrsteilnehmer links, rechts oder in der Mitte vorbei will. Spurwechsel und Überholmanöver erfolgten immer mit der Devise: „Wird schon irgendwie gehen“ und die wenigen Kreuzungen passierten wir ebenfalls nach dem Motto: „Wer zu erst kommt, fährt zu erst“.
Die holprigen Straßen ließen zum Glück keine echte Raserei zu und so blieb genug Zeit das „Nachtleben“ Mumbais zumindest zu erahnen: Menschen überall – vor Werkstätten, Imbissen oder schlafend am Straßenrand. Auf Rikschas, in Bussen und Taxis oder zu dritt ohne Helm auf dem Moped. Hunde, die gemächlich zur Seite trabten, wenn gehupt wurde. Die Wellblechhütten der vielen Slums, teilweise drei Stockwerke hoch und daneben riesige Werbeplakate welche „Say hello to the new iPhone X“ rufen. Größer könnten die Kontraste nicht sein.
Die Luft ist hier auch eine andere. Der Smog zieht sich über weitere Teile unserer Strecke, und ich bin froh, dass ich ein Tuch eingepackt habe, was ich mir jetzt um den Kopf schlinge.
Im Dunkeln sehen wir einen Schornstein, der so dunklen Rauch ausstösst, dass es selbst in der Nacht noch zu sehen ist. Es riecht die ganze Zeit wie verbrannte Kohle und nach Abgasen.
Irgendwo auf halber Stecke wird es hell und die Sonne begrüßt uns als roter Feuerball im wabernden Smog. In Pune fährt unser Fahrer links ran und fragt „Tea, Tea?“ Wir nicken und stehen am Straßenrand und bekommen eine hellbraunen Chai in Schnapsgläsern in die Hand gedrückt. Der Tee ist heiß und vor allem eins: unheimlich süß. Wir sind wach und schlürfen zwischen neugierigen Gesichtern unseren Tee und versuchen selber die Atmosphäre zu erfassen. Es ist früh am Morgen, Schulkinder in blau-weißen Uniformen kreuzen unseren Weg als wir weiter nach Baramati fahren.
Kurz nach der Teepause weckt ein Klappern das Interesse von uns Dreien. Direkt unter beziehungsweise hinter mir bahnt sich unsere nächste Herausforderung an: ein platter Reifen. Wir halten erneut am Straßenrand mitten im Nirgendwo. Unser Fahrer schaut lächelnd auf dem platten Reifen, zuckt mit den Schultern und beginnt einen Ersatzreifen aus dem Kofferraum zu kramen.
Dank Daniels gewichtiger Hilfe ist das Rad nach kurzer Zeit gewechselt und die Fahrt geht weiter. Die Landschaft ist inzwischen weniger urban. Kleine Hütten ziehen am Fenster vorbei. Um exakt 6:30 Uhr sehe ich die erste Kuh, welche dem scheinbaren Verkehrschaos mit indischer Gelassenheit trotzt.
Irgendwann, nach mehr als drei Stunden Fahrt erreichen wir unser Ziel, Baramati. Eine Kleinstadt mit knapp 54.000 Einwohnern. Hier erwacht das Stadtleben auch nach und nach. Während der Schuhhändler noch seinen Laden aufschließt, werden beim Friseur nebenan schon dunkle Haarschöpfe frisiert. Das Hotel liegt etwas unscheinbar in einer Seitenstraße. Während Daniel eine Zigarette raucht, und ich mich und meine Gedanken sortiere, lädt ein Hotelangestellter unser Gepäck aus. Endlich sind wir da. Indien – wir kommen!
2 Responses
Viel Glück …. klingt alles sehr interessant 😉
Danke, es ist alles gut gegangen! 🙂