Früh am Morgen erwachen wir in unserem neuen Hotelzimmer. Unter der Decke verrichtet der Deckenventilator brav seinen Dienst. Ohne ihn wäre es wahrscheinlich nicht auszuhalten. Auch in der Nacht herrschen in Baramati über 29 Grad. Tagsüber sind es noch ein paar mehr.
Im Restaurant des Hotels freuen wir uns darüber, dass es auf Bestellung auch etwas anderes zum Frühstück gibt, außer Reis. Omelett und Toast sind dann doch eher das, was unsere Mägen mehr gewohnt sind. Dazu gibt es auch noch eine Marmelade, welche allerdings so süß ist, dass ich Angst habe direkt nach dem Frühstück an Diabetes zu erkranken.
Die Trauung war für 11.30 Uhr angesetzt und die Familie der Braut hatte uns am Vorabend eingebleut, ja pünktlich zu sein. Normalerweise ist Pünktlichkeit sowieso relativ in Indien. Die Inder selber sprechen immer von ihrer eigenen Zeitzone „IST“ = Indien Stretchable Time. Wenn man sich also um 11.30 Uhr verabredet, ist es auch noch okay, wenn man erst um 12.00 Uhr oder später ankommt. Streß macht sich deswegen keiner. Ich auch nicht mehr, denn auch ich habe mein Zeitgefühl komplett verloren. Eigentlich bin ich ja jemand, der viel Wert auf Pünktlichkeit legt. 6000 Kilometer von zu Hause und dem Alltag entfernt, ist mir das hier alles relativ gleich.
Pünktlich kurz nach um 11 Uhr stehen Daniel und ich „schußbereit“ an der Hochzeitslocation. Ganz im Sinne der IST, ist nur die Hälfte der Location im Hof des Hotels fertig aufgebaut. Ein riesiger weiß-pinker Baldachin und ein rotes Sofa auf einem Podest – mehr ist es nicht. Nach und nach karren Angestellte des Hotels Stühle hervor und rollen einen roten Teppich aus.
Allmählich trudeln die ersten Verwandten und Gäste von Ashwini ein. Indische Hochzeiten sind normalerweise immer sehr gut besucht. Wenn bei einer deutschen Hochzeit mehr als 100 Gäste kommen, gilt das schon als große Hochzeit. Hier ist es völlig normal mehr als 500 Gäste zu haben.
Ein paar Tage zuvor hatte die Braut uns von einer Hochzeit erzählt, bei der mehr als 10.000 Gäste waren. In Indien ist es nämlich so, dass man immer die gesamte Familie einlädt und nicht nur eine bestimmte Person. Bei der Hochzeit musste aufgrund der vielen Gäste in Schichten von 600-700 Menschen gegessen werden. Allein 90 Angestellte haben sich um die Mahlzeiten gekümmert. Mehr als eine Tonne Reis wurde dort den Gästen serviert. Die Hochzeit von Ashwini und Mario sollte aber nicht so groß werden und nur „im kleinen Kreis“ stattfinden. Zum Schluss waren zwischen 200 und 500 Gästen anwesend.
Die Verlobungszeremonie
Traditionell begann diese Hochzeit mit einer Verlobungszeremonie, welche sich über mehrere Stunden hinzog und aus vielen kleinen Ritualen bestand, worauf ich aber nicht komplett eingehen werde. Oftmals sind es nur sehr kleine Dinge die da auf der Bühne passieren – zum Beispiel, wird Reis in eine Schüssel geschüttet, Nüsse zerschlagen oder Wasser über Hände geträufelt. An den Ritualen nehmen immer wieder unterschiedliche Personen teil: das Brautpaar zusammen oder einzeln, die Trauzeugen, die Eltern oder Verwandte des Paares. Es herrscht ein großes Gewusel auf der Bühne, Leute kommen und gehen. Rituale finden im Sitzen oder Stehen statt.
Es gibt Kurkuma!
Die Verlobungszeremonie endet mit dem Anstecken der Verlobungsringe. Danach erfolgt eine Kurkuma Zeremonie. Bei der werden das Brautpaar und anschließend auch die Gäste mit Kurkuma beschmiert oder beworfen. Extra für dieses Ritual haben sich alle umgezogen. Wir Männer tragen weiße Kurtas (knielange Gewänder) und Käppchen, die mich an Bäcker- oder Matrosenmützen erinnern. Schon nach wenigen Minuten sind wir alle gelb beschmiert und es herrscht ein wildes Getümmel und lautes Gelächter.
Ich teile mir mit
Daniel meinen Arbeitsplatz und zusätzlich mit einem indischen
Fotografen, der ständig die Aufmerksamkeit auf sich zieht und nach jedem Ritual die Teilnehmer in die Kamera gucken lässt. „Look here, Look here!“ gefolgt von einem „One Minute!“ klangen wir ein Singsang in meinen Ohren. Es herrscht ohnehin eine kontinuierliche Unruhe. Die Leute unterhalten sich im Publikum, laufen umher oder betreten die Bühne um Fotos vom Paar mit dem Handy zu machen. Vielmehr bekomme ich aber an diesem Tag nicht mit, was abseits der Bühne geschieht. Zu wichtig ist es, was dort oben passiert.
Drei Minuten Brautpaar-Shooting
Nach der Verlobungs- und Kurkuma-Zeremonie gibt es Lunch und eine Pause, in der sich das Brautpaar erneut für die eigentliche Trauung umzieht Es ist bereits später Nachmittag. Daniel schafft es mit seinen Überredungskünsten, das Brautpaar 3 Minuten vor der Trauung aus dem Hotel zu lotsen, damit ich Ashwini und Mario im Hochzeitsoutfit fotografieren kann. Da uns nicht viel Zeit bleibt, findet das Brautpaarshooting auf einem Acker hinter dem Hotel statt. Normalerweise dürfen Braut und Bräutigam sich vor der Hochzeit weder sehen noch berühren.
Ein Runde Tanzen um den Block
Vor dem Hotel wartet nach dem geheimen Shooting die Familie des Brautpaares zusammen mit einer Musik-Kapelle vor dem Hotel auf uns. Dem Brauch nach müssen nun die Verwandten und Gäste des Bräutigams zusammen mit den anderen Gästen eine Runde tanzen und die jeweils andere Seite von ihren Tanzkünsten überzeugen. Unten dem ohrenbetäubenden Klängen von Trommeln und Trompeten zieht nun die Gesellschaft wild tanzend eine Runde um den Block. Von überall her strömen Anwohner aus ihren Häusern und folgten mit einem lächeln auf den Lippen unseren Tanzversuchen. Die Stimmung ist ausgelassen – alle sind fröhlich und stacheln sich gegenseitig zu tänzerischen Höchstleistungen an.
Die Hochzeitszeremonie
Die Sonne ist schon fast untergegangen, als das Brautpaar erneut einzieht. Dabei werden Braut und Bräutigam auf den Schultern der Gäste zur Bühne getragen. Zu Beginn der Trauung müssen Ashwini und Mario sich gegenseitig ein große Kette aus Blumen überwerfen. Wer dies zuerst schafft, hat später in der Ehe die Hosen an sagt man.
Auch bei der Vermählung folgen viele kleine Rituale, bei denen oftmals Elemente aus der Natur eine Rolle spielen. Immer werden Wasser, Nüsse, Gewürze oder Reis verwendetet. Ziemlich zum Ende der Hochzeit müssen die Beiden sieben Mal ein heiliges Feuer umrunden. Meine Arbeit ist für den Tag fast beendet. Noch während die Vermählung auf der Bühne abläuft, wird das Buffet eröffnet und die ersten Gäste essen. Gegen 18 Uhr ist es soweit: das Brautpaar ist vermählt und der indische Kollege übernimmt ab jetzt und fotografiert die Beglückwünschung der Gäste, welche sich auch über mehrere Stunden hinzieht. Es ist schon spät in der Nacht als auch dieser Teil beendet ist und Ashwini und Mario zusammen mit ihren Familien das Abendessen einnehmen.
Indische Hochzeiten enden oftmals schon gegen 22 oder 24 Uhr. Länger dauert es selten und eine Party mit Tanz und Spielchen gibt es in der Regel auch nicht. Da das Brautpaar aber tanzen möchte und da Mario nebenbei auch DJ arbeitet, tanzen wir zusammen mit den Ashwinis Verwandten bis kurz vor Mitternacht.